Zu den moralischen Übungen eines angehenden Journalisten sollte es gehören, gleich anfangs auf Maximaldistanz zu Henryk M. Broder zu gehen. Ein besonders rachelüsternes Stück hat er sich diesmal in der ‘Welt’ geleistet, wo er sich an Jakob Augstein und Günter Grass ganz Robert-Gernhardt-mäßig einen Text abrubbelte. Beide Genannten sind bekanntlich eher Linke – und da wäre es doch gelacht, wenn es einem Broder nicht gelänge. denen per Wortgewalt massiven Antisemitismus ans Bein zu tüddeln. Sein Text eröffnet so:
Nun – ich käme aus ermüdender Erfahrung mit unserem Ein-Themen-Polemiker natürlich gleich auf die Idee, dass jenes ‘Es’ dort eher so in Henryk M. Broders Hirnkasten rumoren dürfte. Der unbedarfte Leser aber vermutet, dass jenes angeführte Pseudo-Zitat wohl entweder vom Jakob Augstein stammen könnte (in dem ‘es’ – laut Broder – ja exakt so denken soll) oder aber von einer mehr oder minder bekannten anderen Autorität. Deshalb, weil unser McCarthy des Antisemitismus es inmitten weiterer Zitate über den Antisemitismus platziert, von Adorno bis hin zu Bebel. In der FAZ hat er übrigens mal vage behauptet, sein Selbstgestricktes käme irgendwie ‘aus dem Amerikanischen’ … so wie ein beliebiges Nazi-Zitat dann ja auch ‘aus dem Deutschen’ käme. Wie das fragliche Bonmot von dort aber in den Kopf Jakob Augsteins gelangt sein soll, das würden wir jetzt doch gern mal erfahren. War etwa der Jakob Augstein kühn genug, den Henryk M. Broder zu rezipieren?
Kurzum – für mich dient der fragliche Satz vor allem der ‘Einflüsterung’, der Insinuation. Dieses vorgeblich amerikanische On-Dit stammt in meinen Augen von Henryk M. Broder himself, der sein eigenes Denken mit Hilfe von Anführungsstrichen hier überhöht und als Autorität inszeniert. Broder, dies also mein Schluss, phantasiert sich etwas darüber zusammen, wie es in Jakob Augsteins Gehirn wohl zugehen dürfte – und kommt damit im real existierenden Qualitätsjournalismus ungeschoren durch den Faktencheck. Obwohl es jedem Redaktionseleven eigentlich auffallen müsste, dass jenes fragliche Zitat an die Qualität der historisch überlieferten anderen gar nicht heranreicht. Der Witz und der gekonnte Aphorismus, man erlebt es wöchentlich, ist nun mal nicht das Metier des Henryk M. Broder.
Autoritativ – so sehe ich das – setzt sich Broder also selbst als vertüddelte Autorität für Antisemitismus ein. Immer mal wieder. Tscha, ihr werdet sein wie Gott … und dann sogar in die Gehirne anderer Leute schauen können.
Woran aber macht er jetzt – außer an mutmaßlich fliegenfängerischen Zitaten – den angeblich hochgestylten Antisemitismus eines Jakob Augstein fest. Nun – zum Beispiel daran, dass der Sohn des Spiegel-Gründers wohlgeformte Sätze zu sprechen weiß und gut gekleidet daher kommt. ‘Indiz!’, schreit ‘Es’ da aus unserem Henryk M. Broder heraus: Treitschke, Marr und andere Antisemiten konnten auch gerade Sätze formulieren und liefen gut gekleidet herum! Und deshalb wären alle wohlgekleideten Menschen in Deutschland auch latente Antisemiten, die sich nur graduell von den Radauantisemiten unterscheiden — Ja, geht’s noch? Gemäß dieser Logik müsste ich denken wie ein gewisser amerikanischer Präsident, nur, weil ich auch schon mal auf dem Deck eines Flugzeugträgers stand …
So rappelt das wortgewaltig und intelligenzbefreit weiter vor sich hin, bis die Zeilen sich biegen. Und bis uns Netanjahus bester Mann in Deutschland mal wieder erklärt hat, weshalb wir aufstehen müssten, weshalb wir ‘aus Staatsraison’ brav in die Händchen zu patschen und ‘Shalom’ zu rufen hätten, dann, wenn eine nationalistisch vergurkte israelische Likud-Regierung demnächst tatsächlich iranische Atomanlagen angreifen sollte.
In diesem Punkt halte ich es doch weiterhin lieber mit vernünftigen Juden …